Bieber+Marburg – Betriebserweiterung zu Lasten des Gießener Stadtwaldes

Wir haben 2024 einiges an parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit dafür aufgewendet, uns in die Planungen des Magistrats zur Vernichtung von 40.000 m² Gießener Erholungswald im Schiffenberger Forst für die Betriebserweiterung von Bieber+Marburg einzuarbeiten und unsere Kritik daran stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Eine erneute Standorterweiterung war beim letzten Erweiterungsbeschluss 2008 von der Regionalversammlung explizit ausgeschlossen worden – eine Festlegung, an die sich nun niemand mehr gebunden fühlt. 

Wohl um der eigenen Klientel die Rodung trotz dieser Umstände zu „verkaufen“, verschwieg der Magistrat zunächst diese Beschlusslage und gab, erstmalig bei der Aufstellung eines Bebauungsplans, die Erstellung einer CO2-Bilanz in Auftrag, um die Standorterweiterung mit anderen Alternativen (z.B. auf dem ehemaligen Gail’schen Gelände) zu vergleichen. Beauftragt wurde ein Architekturbüro aus Berlin, das bisher keine Erfahrungen in diesem Bereich vorzuweisen hatte. Herausgekommen ist eine mit zahlreichen Fehlern gespickte und von haarsträubenden Annahmen ausgehende Arbeit (unsere Analyse der CO2-Bilanz findet sich auf der Website der Bürger*innen-Initiative „Wald statt Stahl+Beton“), die feststellt, dass die Erweiterung trotz der Rodung die klimafreundlichste Alternative wäre. Tatsächlich würde sie sogar umso klimafreundlicher, je mehr Wald gerodet würde! Obwohl sowohl Koalitionsvertreter als auch der Magistrat bereits Fehler eingestanden haben, wurde die CO2-Bilanz nicht korrigiert und in ihrer ursprünglichen Fassung genutzt, um die Regionalversammlung von der angeblichen Notwendigkeit der Rodung zu überzeugen. Und das, obwohl die vorgeschriebene „Variantenuntersuchung nach natur- und artenschutzfachlichen Aspekten“ zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis kommt. Nur – es wird Euch nicht überraschen – interessiert das im Magistrat und in der Koalition niemanden!

Viel wichtiger war tatsächlich, dass sich durch unsere Öffentlichkeitsarbeit nicht nur eine Bürger*innen-Initiative („BI Wald statt Stahl+Beton“) gegründet hat, sondern auch zwei Studierende der JLU auf das Thema aufmerksam wurden. Im Nachgang zu einer Veranstaltung der BI gingen diese auf dem für die Fällung vorgesehenen Areal spazieren und entdeckten dabei eine Schlingnatter und dokumentierten diese streng geschützte Rote-Liste-Art. Interessant ist hierbei, dass die von der Stadt beauftragten Gutachter die Möglichkeit, dass es auf dem Areal Schlingnattern geben könne, explizit ausgeschlossen hatten! Ganz im Gegenteil zu den Umweltverbänden, die in ihren Stellungnahmen zu dem Vorhaben bereits vorher geschrieben hatten, dass davon auszugehen sei, dass dort auch Schlingnattern vorkommen könnten.

Wieder einmal hat der Magistrat in den letzten Jahren mitnichten ergebnisoffen gehandelt, sondern vielmehr nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Man wollte nämlich verhindern, dass genau das passieren würde, was jetzt tatsächlich aufgrund des Schlingnatterfunds passiert – dass sich das Vorhaben zeitlich nach hinten verschiebt. So konnten die 4 Hektar Wald nicht schon – wie ursprünglich geplant – in diesem Winter vernichtet werden. Und ob im nächsten Winter gefällt werden kann, ist ebenfalls fraglich.

Um noch mehr Informationen zu erhalten und die Prozesse, die zur Entscheidung für eine Betriebserweiterung (entgegen der ursprünglichen Beschlussfassung) geführt haben, besser zu verstehen, haben wir zudem einen Akteneinsichtsausschuss beantragt, der seit Mitte des Jahres 2024 arbeitet. Wobei außer Gigg+Volt niemand Interesse an den Akten hat, da ja alle anderen Fraktionen für die Vernichtung des Waldes zur Ermöglichung der Betriebserweiterung sind und daher keinerlei Notwendigkeit zur Akteneinsicht sehen. Der Endbericht zum Ausschuss soll nun voraussichtlich bis Mitte März vorgelegt werden.