Ende 2022 beschloss die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag von Gigg+Volt, dass die Stadtwerke ihre bisherigen „Ökostrom“-Tarife, die nur aufgrund des Einkaufs von billigen Herkunftszertifikaten aus einem 1940 erbauten italienischen Wasserkraftwerk so bezeichnet werden dürfen, einstellen und einen echten Ökostrom-Tarif nach den strengen Regeln des „Grüner-Strom-Labels“ einführen sollen. Alle kommunalen Einrichtungen sollen auf diesen neuen Tarif umgestellt werden. Zum Stand der Umsetzung stellte die Fraktion im Sommer 2025 eine Anfrage. Die Antwort des Magistrats dazu kann hier eingesehen werden. Zu dieser Antwort hielt Johannes Rippl, Stadtverordneter unserer Fraktion Gigg+Volt, folgende Rede:
„Ich möchte mich beim Magistrat und auch den Stadtwerken herzlich bedanken. Und zwar für diese weitere Lehrstunde im Nebelkerzenziehen. Ganz geschickt werden hier sprachliche Nuancen und jede Menge grüner Farbe genutzt, um die eigentliche Intention des Beschlusses und meiner Anfrage zu umgehen.
Zur Erinnerung: Wir haben damals sehr deutlich gemacht, um was es geht.
Erstens sollten die Stadtwerke den Ankauf von CO2-Kompensationszertifikaten beenden. Mit solchen Zertifikaten aus indischen Wasserkraftwerken haben sie nämlich versucht, ihre Emissionen aus dem Gasgeschäft grün zu waschen. Eine Praxis, die kommendes Jahr auf Basis der EU-Green-Claims-Richtlinie zu Recht verboten wird.
Zweitens sollten die Stadtwerke nur noch echte Ökostrom-Tarife nach den strengen Kriterien des „Grüner-Strom-Labels“ anbieten. Statt selbst erzeugten Gasstrom mit Zertifikaten aus einem italienischen Wasserkraftwerk aus den 1940er grünzuwaschen, sollten die SWG also in den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland und der Region investieren.
Drittens sollten alle kommunalen Gebäude auf eine Belieferung mit diesem hochwertigen Ökostrom umgestellt werden.
Knapp drei Jahre nach dem Beschluss müssen wir nun folgendes feststellen:
Die SWG haben zwar den geforderten Tarif eingeführt, jedoch die Tarife, die nur dank billiger Herkunftszertifikate aus dem Ausland als „Ökostrom“ bezeichnet werden dürfen, weiterhin im Angebot und lediglich umgetauft.
Und diese Tarifbezeichnungen sind hochgradig verwirrend für die Kundinnen und Kunden. Während es sich bei den Tarifen „Natur-Power 12“ „Natur-Power Basis“ und „Natur-Power Dynamik“ um die grüngewaschenen Tarife handelt, sollen Verbraucher erkennen, dass ‚Natur-Power 12 Aktiv‘ als einziger Tarif echten Ökostrom liefert.
Und während bei den Tarifen, die nicht die strengeren Kriterien des „Grüner-Strom-Labels“ erfüllen, im Tarif-Rechner der SWG der Hinweis „Natürlich. 100% Ökostrom. Aus erneuerbaren Energien.“ erscheint, ist dies ausgerechnet bei dem einzigen Tarif, der diese Kategorisierung auch wirklich verdient hätte, nicht der Fall. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Auch die Antwort auf meine letzte Frage, ob denn die kommunalen Einrichtungen inzwischen wie im Beschluss gefordert auf den Tarif mit „Grüner-Strom-Label“ umgestellt wurden, zeigt, dass weder Magistrat noch Stadtwerke die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung ernst nehmen. Statt klar zu antworten, dass der Beschluss nicht umgesetzt wurde, lenkt man mit einem Verweis auf das ‚TÜV SÜD‘-Zertifikat ab – Einem wertlosen Zertifikat, das wir schon 2021 kritisiert haben.
So nutzen SWG und Magistrat also wo sie nur können sprachlichen Feinheiten, wie den Unterschied zwischen Kompensations- und Herkunftszertifikaten, den Unterschied zwischen „Natur-Power 12“ und „Natur-Power 12 Aktiv“ und den Unterschied zwischen „TÜV-Süd zertifiziert“ und „Grüner-Strom- zertifiziert“ um für ordentlich Nebel zu sorgen.
Herr Vorsteher, ich bin mit der Antwort und vor allen Dingen mit der Umsetzung des Beschlusses nicht zufrieden.“
Exkurs: Herkunftszertifikate aus Norwegen
Die Stadtwerke kaufen Herkunftszertifikate aus dem Ausland, um den eigenen Strom damit umzuetikettieren. Fast die Hälfte dieser Zertifikate stammt aus Norwegen.
Norwegen wird seit Jahren für die Doppelvermarktung von Ökostrom kritisiert. Während die norwegischen Unternehmen damit werben, dass ihr Strom nachhaltig aus Wasserkraft stammt, werden die Herkunftsnachweise in den Rest Europas und insbesondere nach Deutschland verkauft, wo Unternehmen wie die SWG ebenfalls damit werben, nachhaltigen Strom anzubieten. Das führt zu der absurden Situation, dass 82% des norwegischen Stroms als „grau“ gelten, obwohl 98% des Stroms aus Erneuerbaren Quellen stammen.
Das sind Taschenspielertricks, die zwar legal sind, aber die Verbraucher an der Nase herumführen. Genau deshalb haben wir damals ein Ende dieser Tarife bei den SWG gefordert.
Update: Am 01.10.2025 haben wir eine erneute Anfrage an den Magistrat gestellt, um mehr über die Herkunft des durch die Stadtwerke verkauften Stroms in Erfahrung zu bringen. Die Anfrage kann hier eingesehen werden.
Zur Historie: Gigg+Volt warnt vor Fake-Ökostrom der Stadtwerke