Kultur - Gießen gemeinsam gestalten Gigg

Kultur

Gießen braucht Kultur

Ein reiches Kulturleben kann vieles bewirken: Es steigert die Attraktivität einer Stadt und verbessert die Lebensqualität, sie hilft dabei, Unternehmen und Fachkräfte an einen Standort zu binden, und sie gibt Denkanstöße. Indem Kunst und Kultur Begegnungen mit Unbekanntem und Unerwartetem schafft, brechen sie alte Denkmuster auf und fördern die Lust, Neues zu entdecken. Sie können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, Differenzen auszuhalten und mit ihnen umzugehen. Und sie können einen wesentlichen Beitrag leisten zur Integration z. B. von Menschen mit Migrationshintergrund in die Stadtgesellschaft. Ca. 30 % der Gießener Stadtbevölkerung ist zwischen 18 und 30 Jahren – deren kulturelle Bedürfnisse und Interessen spiegeln sich in der Kulturpolitik der Stadt bisher nur unzureichend wider und werden überwiegend von der freien Kulturszene bedient. Auch wenn Gießen insgesamt bereits über eine reiche Kulturszene verfügt, die wir unterstützen und weiterentwickeln möchten und in den vergangenen Jahren vieles bereits auf den Weg gebracht wurde, gibt es auch in Bezug auf die Kultur wesentliche Dinge, die in den nächsten Jahren angepackt werden müssen und die Gigg vorantreiben möchte. Wir stellen uns ausdrücklich hinter die im Positionspapier für die Kommunalwahl 2021 benannten Forderungen und möchten einige an dieser Stelle exemplarisch auflisten.

Mehr Räume für Kultur

Gießen braucht mehr Räume für Kultur. Räume für Kultur werden in einer sich verdichtenden Stadt knapper und knapper. Die Kultur zieht gegenüber kommerziellen Interessen und anderen Grundbedürfnissen wie Wohnen in aller Regel den Kürzeren. Daher braucht es dringend energische und konkrete Maßnahmen, um Gießen als Standort für (junge) Kultur zu erhalten und zu stärken. Dabei ist es eine Verpflichtung der Stadt Gießen, die kulturellen Interessen ihrer Bevölkerung verstärkt gegenüber rein ökonomischen Interessen in Schutz zu nehmen. Dafür müssen verbindliche Mechanismen eingeführt werden, die das Mitwachsen der kulturellen Infrastruktur mit einer steigenden Bevölkerungszahl stadtplanerisch garantieren. Dies ist notwendig, um zu verhindern, dass aktuelle Bedarfe mit einem einmaligen Angebotsausbau als für alle Zeiten gedeckt angesehen werden, auch wenn die Stadt wächst. 

Innenstadt als kulturelles Zentrum

Es ist notwendig, die Innenstadt als kulturelles Zentrum zu begreifen.  Kultur ist Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, muss niederschwellig zugänglich sein und darf nicht in die Peripherie abgedrängt werden. Dies gilt in einer Studierendenstadt ausdrücklich auch für Ausgeh-, Musik- und Clubkultur. Deren schwindende innerstädtische Standorte müssen geschützt, unterstützt und wieder ausgebaut werden.  Die Idee der Innenstadt als kulturelles Zentrum wird gerade zu einer Zeit bedeutsam, in der – verstärkt durch die Corona-Krise – deutlich wird, dass die Zeit der weitestgehenden Fokussierung der Innenstadt auf das Thema Konsum unwiederbringlich vorbei ist. Die Chancen einer stärkeren Berücksichtigung der kulturellen Bedürfnisse und Konzepte müssen daher aktiv genutzt werden. Dies könnte z. B. erfolgen, indem temporäre Leerstände im Innenstadtbereich übergangsweise für kulturelle Aktivitäten genutzt werden. Daher gilt es, das Urbanautikprogramm als Kooperation zwischen Stadt und Raumstation (als Interessenvertretung der freien Szene) auszubauen.  

Mehr kommunale Unterstützung

Die freie Kulturszene braucht mehr kommunale Unterstützung, da sie sich in Gießen quasi selbst trägt und durch die Coronakrise empfindlich getroffen wurde. Das Projekt „Alte Feuerwache“ muss Priorität bekommen, zügig und vollständig umgesetzt werden, damit Raum für Werkstätten, Studio, Gastronomie, Freiflächen, Veranstaltungsräume für Musik und Kunst) inklusive Umnutzung der Fahrzeughalle als Veranstaltungsfläche entsteht - als einzelner, und keinesfalls abschließender Baustein zur Deckung des Bedarfs nach Arbeits- und Aufführungsorten der freien Künstler. Der Arbeitskreis Interessensvertretung der Freien Kulturszene Gießen muss dabei auf Augenhöhe in die Planungen integriert werden. 

Anbindung von existierenden Probe- und Veranstaltungsräumen

Gigg setzt sich des Weiteren für eine bessere und sichere Anbindung von existierenden Probe- und Veranstaltungsräumen an den Rändern Gießens ein (z. B. für ausreichend beleuchtete Fahrradwege ins Europaviertel für eine sichere Fahrt auch nach Einbruch der Dunkelheit, sowie für Busverbindungen oder Mobilitätsangebote auf Abruf nach 22:50 Uhr).  

Stadttheater

Das Stadttheater ist autonom - 2022 steht ein Wechsel in der Intendanz bevor. Das ursprünglich von Bürger*innen gestiftete Theater ist die größte Kulturinstitution und das Aushängeschild der Stadt mit Wirkung weiter über Gießen hinaus. Dennoch gibt es auch hier noch viel Potenzial zur stärkeren Verknüpfung mit der Stadtgesellschaft. So gibt es z. B. weiterhin zahlreiche Schüler*innen in Gießen, die noch nie im Stadttheater waren. Die Stadtpolitik muss daher verstärkt Anreize für den Besuch gerade in dieser Altersgruppe schaffen, indem z. B. eine Schultheaterwoche mit Veranstaltungen aller Theatersparten, Theaterführungen etc. mit kostenfreiem Bustransfer organisiert werden, an deren Ende als Höhepunkt das beste Schultheater, das vorher durch einen Schultheaterwettbewerb ausgelobt wird, eine Vorstellung im Stadttheater gibt oder es ein experimentelles Theaterstück unter Teilnahme aller Schultheater gibt. Und – natürlich hat auch das Stadttheater mit seinen rund 280 Festangestellten eine ausreichende Größe, um selbst auch eigenen Akzente im Zusammenhang mit der Klimaneutralität zu setzen, sei es im Bereich Verkehr (der eigenen Mitarbeitenden und der Besucher*innen), beim Energieverbrauch, bei der Beschaffung etc. 

Bessere Vernetzung

Die verschiedenen Kulturinstitutionen der Stadt (Stadttheater, Interessenvertretung der freien Kulturszene, Universität mit den Studiengängen „angewandte Theaterwissenschaft“ und dem Musikinstitut, Musikschule…) brauchen eine bessere Vernetzung, um bestehende Ressourcen (Räume, Bühnen, Technik usw.) effektiver, kostengünstiger und somit auch umwelt- und klimaschonender zu nutzen. In anderen Städten gibt es dafür als gemeinsame Schnittstelle einen Kulturreferenten. 

Weitere Ansätze

  • Die Stadt könnte und sollte das Kultursponsoring von heimischen Banken, Firmen und Bürger*innen stärker initiieren und auf eine gerechtere Verteilung der Gelder hinwirken.  
  • Öffentliche Aufträge sollten möglichst an lokale Künstler vergeben werden.  
  • Bürokratische Hürden für kleinere, nichtkommerzielle Veranstaltungen, Straßentheater etc. müssen abgebaut werden, Regeln transparent und nachvollziehbar sein. 
  • Die zu geringe finanzielle Ausstattung der kommunalen Musikschule Gießen muss dringend verbessert werden. Hier werden die Kulturschaffenden der Zukunft ausgebildet, ohne dass die dortigen Lehrkräfte selbst eine ausreichende soziale Absicherung hätten. Es braucht daher höhere Honorare und mehr feste Stellen für die Lehrkräfte, um die Qualität des Unterrichts und verlässliche Schulkooperationen zu sichern.  
  • Gigg setzt sich dafür ein, auch den Kulturschaffenden der Stadt Gießen ein Jobticket und eine Ehrenamtscard zu ermöglichen.