Naturschutz - Gießen gemeinsam gestalten Gigg

Naturschutz

Zusammenfassung

Kurz zusammengefasst fordern wir: 
Für den besiedelten Bereich
  • Bäume erhalten: regelmäßige Pflege und Sichtkontrolle des älteren Baumbestandes, Erhalt ist einem Ersatz immer vorzuziehen 
  • Bäume pflanzen: durch Parkplatzrückbau sollen in den nächsten 5 Jahren 5.000 Bäume im innerstädtischen Bereich gepflanzt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass nur klimarobuste Arten gepflanzt werden und die Pflege von Neuanpflanzungen gewährleistet ist (notfalls über Bürgerpatenschaften). Darüber hinaus müssen auch bei der Planung neuer Baugebiete und bei der Umgestaltung bestehender Quartiere ausreichend Platz für Baumpflanzungen vorgesehen werden 
  • Erhalt und Pflege bestehender sowie Schaffung neuer Streuobstwiesen: Ausweitung von Pflegemaßnahmen, finanzielle Förderung, Projekte/Kooperationen mit Schulen (z.B. Verkauf bzw. Versorgung mit selbstgekeltertem Saft anstatt industriell gefertigter Getränke und selbstgeerntetem Obst 
  • Erhalt bestehender Grünflächen oder brachliegender Flächen (zumindest partiell) bei Innenstadtverdichtung. Bei der Nachverdichtung ist die Geschoßaufstockung und der Lückenschluss der Bebauung freier Flächen zu bevorzugen. 
  • Bei neuen Wohnquartieren Schaffung öffentlichen Grüns einplanen. Ökologische Nischen neben Aufenthaltsbereichen. Stichwort: Pflanzung einheimischer Sträucher (keine großflächigen Heckenstrukturen) und Bäume (in kleinen Gruppen) 
  • Blühstreifen, Ruderalfluren in öffentlichen Parks oder entlang von Straßen (z. B. bei Rückbau von Stellplätzen) anlegen -> Stichwort ‚Bunte Wiesen‘ siehe Tübingen 
  • Laub weitestgehend auf Grünflächen belassen. Förderung des Insektenreichtums (u.a. Spinnen sowie Eier und Larven etlicher Insektenarten stecken im Laub), entlastet das Gartenamt, erhöht das Nahrungsangebot für Vögel im Winter 
  • Begrünung von Gebäudefassaden und –dächern (insbesondere dort, wo Photovoltaik aufgrund der Exposition des Daches keinen Sinn macht) 
  • Begrünung von öffentlichen Gebäuden und Bauwerken insbesondere Brücken, Parkhäuser 
  • Verbot von Stein- /Kiesgärten 
  • Einrichtung von Beratungsstellen für die Gestaltung naturnaher Gärten (ehren- oder hauptamtlich) 
  • Pflanzliste im Hinblick auf die Klimaerwärmung erarbeiten und der Bevölkerung zur Verfügung stellen 
  • Ersatz und Schaffung neuer Brutplätze für Vögel bzw. von Quartieren und Wochenstuben für Fledermäuse bei energetischer Sanierung, aber auch bei erhaltender Sanierung öffentlicher Gebäude. In Neubaugebieten im B-Plan feststellen. 
Für den Außenbereich
  • Schaffung von Biotopen und deren Vernetzung auf dem gesamten Stadtgebiet, z.B. Anlage von Laichgewässern für Amphibien 
  • Nachhaltige Bewirtschaftung des Stadtwaldes: kein Einschlag für Brennholz, Erhalt von Altholzinseln u.a. über Patenschaften für alte Bäume durch Bürger, Vereine um so den Holzvorrat und somit den CO2-Speicher zu erhöhen 
  • Extensivierung der Landwirtschaft vor allem auf Grünlandflächen, Beratung von sowie enge Kooperation mit Landwirten zur Förderung und dem Erhalt von Mähwiesen, d.h keine weitere Umwandlung von Wiesen in Weiden, keine Düngung von Grünlandflächen 
  • Verbot von Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln auf von der Stadt verpachteten landwirtschaftlich genutzten Flächen 
  • Ausschließlich ökologischer Landbau auf von der Stadt verpachteten Flächen, durch vertragliche Festlegung bei Neuabschluss oder Verlängerung bestehender Pachtverträge 

Naturschutz in Gießen

Gerade für Städte und Ballungsgebiete wie Gießen ist der Erhalt von Grünflächen, Bäumen und Hecken von besonderer ökologischer und klimatischer Bedeutung. Sie binden CO2, produzieren Sauerstoff, reduzieren die Feinstaubbelastung, senken die Temperaturen und bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Parkanlagen dienen aber auch der stillen Naherholung und bedienen das Bedürfnis vieler Bürger, sich in freier Natur aufzuhalten. 
Wir setzen uns zunächst dafür ein, dass sich Gießen wieder eine Baumschutzsatzung gibt, die diesen Namen auch verdient. Zurzeit gibt es nur eine „Satzung zur Verbesserung von Stadtklima und Stadtökologie durch Bäume“, nach der private Bäume auf freiwilliger Basis gemeldet und begutachtet werden können. Kein Baum wird dadurch wirklich geschützt. Diese “Pflegesatzung” wurde vor 4 Jahren beschlossen, nachdem bereits im Jahr zuvor die Stadtverordnetenversammlung dem Antrag „Die Stadt gibt sich wieder eine Baumschutzsatzung“ der Lokalen Agenda 21 mehrheitlich zugestimmt hatte. Die vorgeschlagene Satzung sollte sicherstellen, dass der Baumbestand, insbesondere großkronige Solitärbäume oder Alleen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich langfristig erhalten bleibt. 
Grundsätzlich ist bei allen innerstädtischen Vorhaben der Erhalt von Bäumen oder anderen aus Naturschutzsicht schützenswerte Strukturen anzustreben. Es muss künftig vermieden werden, dass im Rahmen von Bebauungsplänen bei der Siedlungserweiterung oder der Nachverdichtung des Innenstadtbereiches, zahlreiche ältere Bäume gefällt werden, wie das in der Vergangenheit z. B. beim Bau der Ostanlage / Ecke Moltkestraße, in der Bergkaserne oder des neuen Parkhauses an der Lahnstraße passiert ist. Das Fällen von Bäumen im Innenstadtbereich soll zukünftig nur noch in absoluten Ausnahmenfällen geschehen. Bei zukünftigen Planungen muss der Erhalt des vorhandenen Baumbestands vorrangig berücksichtigt werden – die von der damaligen Baubürgermeisterin im Zusammenhang mit der Fällung der Kastanien in der Bergkaserne vertretene Position, dass Ersatzpflanzungen gleichrangig seien zum Erhalt von Bäumen, lehnt Gigg explizit ab.  
Vor dem Hintergrund des Artenschwundes in der offenen und halboffenen Landschaft aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft (regelmäßiger Einsatz von vor allem Herbiziden und Insektiziden), hat der besiedelte Bereich als Heimat für viele Arten in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. So ist z. B. das Vorkommen einiger Vogelarten ausschließlich auf besiedelte Bereiche beschränkt (z. B. Mauersegler und Mehlschwalbe). Daher soll der Naturschutz im besiedelten Bereich gefördert werden.  
Neben der naturnahen Gestaltung des öffentlichen Raums sind private Gärten, auch Vorgärten, der Schlüssel zur Entwicklung und für den Erhalt einer artenreichen innerstädtischen Fauna (s.u.). Schottergärten stellen eine zusätzliche Versiegelung des Bodens dar. Um die ökologische Funktion der Gärten zu fördern, fordert Gigg eine Satzung, die die Anlage neuer Stein-/ Schottergärten untersagt. Dies sollte sowohl für bestehende als auch zukünftige Bebauungspläne gelten. Begleitend dazu soll eine umfangreiche verbindliche Pflanzliste erstellt werden, die Hausbesitzer dabei unterstützen soll, einen Garten unter ökologischen Gesichtspunkten, ohne allzu strikte Vorgaben, zu gestalten. Die Anpflanzung exotischer Pflanzen, zum Beispiel asiatischer Knöterichgewächse, soll somit unterbunden werden, da sich diese bei illegaler Entsorgung von Schnittgut oder ganzer Pflanzen bzw. über Samenverbreitung durch Vögel und/oder Wind invasiv ausbreiten können und somit einheimische Pflanzen verdrängen. Solche Gewächse lassen sich nur mit hohem Aufwand und ohne Erfolgsgarantie wieder aus der freien Landschaft entfernen. 
Auch die städtischen Waldflächen sind vom Klimawandel stark betroffen. Der notwendige Umbau der Wälder (Laubbaummischwälder fördern, reine Koniferenbestände durch Mischwälder ersetzen), der bereits eingeleitet wurde, soll dazu genutzt werden, den Wald stärker als bisher als CO2-Speicher zu nutzen. Da die Waldnutzung auch als städtische Einnahmequelle fungiert, fordern wir, dass trotz Holzernte ökologische Aspekte im Vordergrund stehen. Dazu zählt auch, dass der Einschlag von Bäumen für den Verkauf als Brennholz im Gießener Stadtwald nicht gestattet sein sollte. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass die Holzernte überwiegend für den Hausbau oder in der Möbelbranche verwendet wird. So bleibt ein großer Teil des gespeicherten CO2 gebunden und wird nicht, wie bei der Verbrennung, wieder freigesetzt. Alternative Einnahmen, z. B. über Baumpatenschaften, könnten ermöglichen, hiebreife Bäume vor dem Einschlag zu retten. So würden große vitale Bäume über Jahrzehnte zusätzliches Holz bilden und somit länger CO2 speichern.  
Der durch den Klimawandel notwendige Umbau des Waldes soll vornehmlich über die Pflanzung klimarobuster Arten europäischer Herkunft herbeigeführt werden. Teilflächen sollen aus der Nutzung genommen und sich selbst überlassen werden, damit sich über die natürliche Sukzession an die herrschenden Klimabedingungen angepasste Waldformen ausbilden können. Die Wasserversorgung des Waldbodens soll durch geeignete Maßnahmen verbessert (siehe unten). 
Abschnitte verbauter Fließ-, aber auch Stillgewässer sollen naturnah umgestaltet werden. Dabei sollte die ökologische Aufwertung vor Naherholungsaspekten priorisiert werden.  
Ein wichtiges Element zur Förderung der Artenvielfalt ist die Schaffung und Vernetzung von Biotoptypen, also spezielle Lebensräume, die bedrohten Tieren und Pflanzen als Rückzugsgebiete dienen. Eine enge Vernetzung (Insellösung) ist Voraussetzung für die großräumige Wieder- bzw. Neubesiedelung geeigneter Lebensräume, die voneinander getrennt sind. Beispielsweise durch Anlage von (fischfreien) Laichgewässern für Amphibien kann deren Bestandssituation verbessert werden. Gleichzeitig dienen diese Gewässer auch als Lebensraum für Libellen und andere Insekten. Das wiederum erhöht das Nahrungsangebot für z.B. Vögel oder Fledermäuse. Gräben, die zur Entwässerung des Waldbodens in den letzten Jahrzehnten angelegt wurden und somit in trockenen Jahren verstärkt zum Wasserstress der Bäume in den Wäldern beigetragen haben, sollten entwidmet werden. Sie könnten so, ebenso als Laichgewässer für Amphibien und Insekten dienen und würden gleichzeitig die Wasserversorgung des Waldbodens verbessern. Naturnah gestaltete Gärten und großkronige Bäume sind wichtige Lebensräume, die, im Biotopverbund, den Artenreichtum innerhalb der Stadt befördern. Studien belegen, dass ein alter Baum mehr Arten und auch weitaus mehr Individuen einer Art beherbergt als ein jüngerer Baum derselben Art. Daher gilt für Gigg der Grundsatz: Erhalt geht vor Ersatz. 
Extensiv bewirtschaftete Streuobstwiesen stellen mit bis zu 5.000 Arten nachgewiesenermaßen Biotope mit hoher Biodiversität dar. Im Stadtgebiet finden sich noch zahlreiche solcher Bestände, deren Erhalt durch anhaltenden Siedlungsbau und/oder ausbleibende Nutzung gefährdet ist. Derzeit läuft ein Programm der Stadt in Kooperation mit der Landschaftspflegevereinigung des Landkreis Gießen, Streuobstbestände zu pflegen und zu entwickeln. Dieses Projekt fußt auf einer Ausgleichsmaßnahme, zu der die Stadt aufgrund der Ausweisung des Baugebietes “Westlich der Marburger Straße” gesetzlich verpflichtet ist. Nachdem jahrelang nichts passiert ist, wird die Pflege von ehrenamtlich tätigen Bürger*innen gegen eine geringe Aufwandsentschädigung durchgeführt. Es zeichnen sich erste Erfolge ab. Daher sollte dieses Projekt auf alle Streuobstbestände ausgedehnt werden. Konzepte zur Vermarktung des Obstes können dazu beitragen, die Kosten zu minimieren. So könnte z.B. der Saft des gekelterten Obstes anstelle industriell gefertigter Getränke an den Schulen ausgegeben werden. Von der Stadt verpachtete Flächen sollen ausschließlich biologisch bewirtschaftet werden. Somit soll der Einsatz von Herbi- und Pestiziden auf städtischen Flächen zukünftig vermieden werden. Zur Umsetzung dieses Zieles müssen bestehende Pachtverträge zu Flächen, auf denen konventionell gewirtschaftet wird, möglichst zeitnah angepasst werden. Die Wiederherstellung von Grünwegen und Feldrainen, das Anlegen von Brachen sowie die Anpflanzung von Feldgehölzen sollen die Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen erhöhen.  
Die Stadt Gießen hatte bis 2016 30 Jahre lang auf den Einsatz von Streusalz verzichtet, bis die entsprechende Satzung durch das Hessische Innenministerium für unzulässig erklärt wurde. Die Stadt sollte dennoch auf den Einsatz im gesamten Stadtgebiet verzichten und sich auch mit den großen Institutionen wie JLU, THM und UKGM abstimmen, um diese ebenfalls von einem Verzicht zu überzeugen.